Erfahrungsbericht FDI Arbitration Moot Court 2015

Foreign Direct Investment („FDI“) und Arbitration: keine Begriffe, die einem zwangsläufig im Jurastudium begegnen. Auch als wir während unserer Try-outs gefragt wurden, an welchen Moot Court wir lieber teilnehmen möchten –dem bekannteren und älteren Willem C. Vis Moot Court zum internationalen Kaufrecht oder dem noch etwas unbekannteren, spezieller gefassten FDI Moot Court zum internationalen Investitionsrecht— wussten wir alle noch nicht so genau, worauf wir uns mit unserer Antwort: „FDI“ eigentlich eingelassen hatten.

Keine von uns konnte mit Begriffen wie BIT, FET oder sunset clause bis dahin wirklich etwas anfangen. Nach einer kurzen Einführung in das Rechtsgebiet durch den Lehrstuhl trafen wir uns im April 2015 erstmals mit unserem Coach William Hamby-Hopkins, um über unseren ca. 60 Seiten umfassenden Fall zu sprechen. Die Fälle im Rahmen des FDI Moot Courts befassen sich meist mit Streitigkeiten zwischen einem fiktiven Staat und einem Investor, in unserem Fall zwischen der Republik Barancasia und dem in der Energiebranche tätige Investor Vasiuki LLC aus Cogitatia. Kann Vasiuki LLC („Claimant“) von Barancasia („Respondent“) den ungeminderten, auf zwölf Jahre zugesicherten Tarif für seine Solarenergieprojekte fordern? Diese Frage (und noch einige mehr) sollten uns das nächste halbe Jahr beschäftigen. Zunächst skizzierten wir grob die Problemschwerpunkte des Falls, um uns dann auf die einzelnen Themengebiete aufzuteilen und mit der Recherche zu beginnen. Nach einigen Wochen des Recherchierens und einem Besuch im International Investment Law Centre Cologne wurden wir selbstbewusster im Umgang mit Begriffen wie BIT, FET Necessity und sunset clause. Wir begannen unseren Schriftsatz für den Claimant auszuformulieren und dessen Forderungen mit Argumenten zu untermauern.

Auch wagten wir erste Gehversuche auf dem Gebiet des Pleadens, des mündlichen Vortragens unserer Argumente und Forderungen, in dem wir mit unserem Coach kleine Nonsense-Diskussionen über Themen wie „Cats vs. Dogs“ führten. Dabei legten wir zunächst unser Hauptaugenmerk auf die richtige Körpersprache und Mimik, sowie den richtigen Aufbau unserer Argumentation und die Reaktion auf Nachfragen. Im August –die Deadline für die Schriftsätze im Blick— begannen wir den Erwiderungssschriftsatz für den Respondent auszuformulieren. Von nun an waren unsere Treffen geprägt von heftigen Diskussionen über einzelne Argumente. Selbst bei einem Glas Bier oder Wein am Abend bevölkerten hauptsächlich Barancasia, Vasiuki und der feed-in Tariff unsere Gespräche. Insbesondere in den letzten Wochen vor der Schriftsatzdeadline waren wir für unsere nicht-Moot-geprägte Umwelt nur noch schwer zu ertragen. Nach den besonders arbeitsintensiven letzten vier Wochen sowie zwei anstrengenden und nervenaufreibenden Nachtschichten vor der Deadline konnten wir im September schließlich zufrieden unsere Schriftsätze abgeben. Der erste Teil, die schriftliche Phase des Moots, war geschafft.

Jetzt hieß es aber weiterhin volle Konzentration. Schließlich mussten die schriftlich ausformulierten Argumente in ein ansprechendes und überzeugendes Pleading umgewandelt werden. Dazu teilen wir uns in zwei Teams, Claimant und Respondent, mit je zwei Sprecherinnen auf, wobei sich jede auf bestimmte Probleme und Forderungen ihres jeweiligen „Klienten“ konzentrierte. In kleinen Probepleadings gegeneinander vor unseren Coaches, dem Lehrstuhl oder ehemaligen Moot-Teilnehmern als Richter im sog. „Tribunal“ wurde unser mündliches Auftreten optimiert.

Diese neu erworbenen Pleading-Fähigkeiten konnten wir dann erstmals Anfang Oktober im Rahmen des Pre-Moots in Warschau austesten. Beim Pre-Moot, einer Art Testlauf für die späteren Global Rounds, trafen wir erstmals auf andere Teams, die sich ebenso lang und intensiv mit dem Fall befasst hatten wie wir. Auch waren wir erstmals mit uns unbekannten Richtern konfrontiert, die uns mit Fragen zu unserem Fall löcherten. Mit vielen neuen Eindrücken aus Warschau wieder in Mainz angekommen, feilten wir weiter an unseren Argumenten und unserem Auftreten. Einiges musste überdacht und optimiert werden. Viel zu schnell war es Ende Oktober und es hieß: „London calling“!

Die Global Rounds des FDI Moots sollten in diesem Jahr in London stattfinden. In der imposanten Kulisse des Somerset Houses direkt am Themseufer trafen sich 51 Teams aus aller Welt und mittendrin wir für die Universität Mainz. Neben unserem Hauptcoach William Hamby-Hopkins begleiteten uns auch Professor Dr. Huber und Claudia Behlendorf als Unterstützung in die britische Hauptstadt. In der Vorrunde trafen wir zunächst auf Teams aus Brasilien, den USA, Ungarn und Russland. Keines der Teams hatten wir zuvor in Warschau getroffen und besonders die Muttersprachler flößten uns Respekt ein. In zwei der vier Vorrundenpleadings vertraten wir Barancasia, in den anderen zwei Vasiuki LLC. Mit der Unterstützung unserer mitgereisten Coaches, des Lehrstuhls und der ehemaligen Moot-Teilnehmer von Zuhause aus traten wir den gegnerischen Teams und namhaften Richtern gegenüber und verhandelten für unserer „Klienten“. Viermal nahmen wir an unseren Tischen Platz, viermal versuchten wir die Fragen der Richter zufriedenstellend zu beantworten und uns dabei unsere Aufregung nicht anmerken zu lassen. Wir führten bekannte Autoren und vergleichbare Fälle zur Untermauerung unserer Positionen an und versuchten die Fälle der Gegenseite zu entkräften. Nach jedem Pleading saßen wir mit unseren Coaches zu kleinen Zwischenfeedback-Runden zusammen. Zum Glück stellten wir bald fest, dass die viele Arbeit des letzten halben Jahres sich auszahlt und wir sehr gut vorbereitet waren, sodass keine unerwarteten Argumente von den anderen Teams vorgebracht wurden. So konnten wir mit vier Siegen in der Vorrunde ins Achtelfinale einziehen, wo wir auf das Team der Suffolk University Law School aus Boston trafen. Die erste Eliminierungsrunde! In dieser Runde vertraten wir wieder den Investor. Nach einem nervenaufreibenden und mitreißendem Pleading verkündete das Tribunal den Sieger: die Universität Mainz!

Wir konnten es kaum fassen, dass wir es tatsächlich geschafft hatten, ins Viertelfinale einzuziehen. Zeit zum Feiern blieb uns aber vorerst nicht. Das Viertelfinalpleading für den nächsten Tag wollte vorbereitet werden. Am nächsten Tag traten wir dann gegen das Team aus Buenos Aires an. Trotz einer Spitzenleistung unserer beiden Respondent-Ladys entschied sich das Tribunal am Ende leider zwei zu eins gegen uns. Jedoch mussten wir anerkennen, dass die beiden Argentinierinnen sich nun mal sehr gut geschlagen hatten.
Nach einem letzten Pleading gegen das Team aus Ottawa konnten wir uns zunächst nach insgesamt sieben Pleadings über den siebten Platz der Orals in den Global Rounds freuen. Einige Tage nach dem Wettbewerb wurde dann endlich die Gesamtwertung aller Teams nach Punkten aus der Vorrunde und den Schriftsätzen veröffentlicht und es war unfassbar: Auf Platz 4 fand sich die Universität Mainz wieder! Dieses Ergebnis krönte ein wunderbares halbes Jahr voller neuer Erfahrungen und Erlebnisse.
Auch wenn der Moot Court durchaus viel von uns abverlangt hat, haben wir in dem halben Jahr nicht nur ein neues Rechtsgebiet kennengelernt. Wir konnten unser Englisch sowohl mündlich als auch schriftlich verbessern und viel Sicherheit und Erfahrung für mündliche Vorträge sammeln. Wir durchlebten alle emotionalen Höhen und Tiefen der Teamarbeit, was uns vier zusammenschweißte, und konnten Studierende aus aller Welt kennenlernen. Dadurch entstanden tolle neue Freundschaften, die die Zeit des Wettbewerbes überdauern werden. Damit gehört der Moot Court definitiv zu den besten Erfahrungen des Jurastudiums; eine Erfahrung, die keine von uns missen möchte.